Mutmacher Juli 2016

Die Fähigkeit, das Wort „Nein“ auszusprechen, ist der erste Schritt zur Freiheit. (Nicolas Chamfort, franz. Dramatiker) 

Das erste Wort, das meine Tochter sprechen konnte, war nicht „Mama“: Es war „Nein“! Dieses „Nein“ kam stets dermaßen entschieden über die kleinen Lippen, dass jegliche Versuche kläglich scheiterten, sie dann doch noch zum Einlenken zu bewegen. „Nein“ hieß „Nein“! Und genau so war es gemeint. Doch wie wir alle irgendwann, machte auch sie schnell die unvermeidliche Erfahrung, dass so ein kraftvolles und unmißverständliches „Nein“ meist Ablehnung und Unverständnis zur Folge hat. Die eigenen Grenzen so deutlich zu markieren, macht unbeliebt – und das wollen wir doch alle nicht sein! Aber was für einen Preis zahlen wir letztendlich dafür?! Der Burnout ist mittlerweile die zweithäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit und die rasante Nachfrage nach Wellness- und Entspannungsangeboten spricht eine deutliche Sprache. Die Anforderungen, die an uns alle täglich gestellt werden, übersteigen unsere Leistungsgrenzen mehr und mehr. Gerade Handy und Computer machen uns durch SMS und eMail rund um die Uhr schnell verfügbar. Unsere Bedenkzeit, um vielleicht auch einmal „Nein“ zu sagen, wird somit immer knapper. Dieses Zauberwort, das Kinder uns noch so deutlich vorsagen können, müssen wir dringend wieder in unser Leben integrieren! Denn „Nein“ ist ein wichtiger Selbstschutz unserer eigenen Interessen. „Nein“ bewahrt uns davor, uns selbst zu verlieren und in Dinge einzuwilligen, die wir im Grunde gar nicht wollen. Ein „Nein“ zur rechten Zeit erfordert Mut, denn nicht alle Menschen wissen es zu schätzen, wenn man seine Grenzen deutlich macht und damit einen wesentlichen Teil der eigenen Persönlichkeit sichtbar werden läßt. Haben Sie den Mut, wieder „Nein“ zu sagen und bewahren Sie sich selbst vor Ausnutzung! Sie können es ohnehin nicht allen Recht machen. Haben Sie den Mut, sich auch öffentlich mit einem „Nein“ abzugrenzen von jenem Heer der grauen Mitläufer und Ja-Sager. Schalten Sie auch einmal das Handy wieder ab und sagen Sie damit „Nein“ zu immer währender Erreichbarkeit! Der Beginn eines selbstbestimmten Lebens in Freiheit braucht oft nur ein wenig Mut und ein kleines Wort zur rechten Zeit: „Nein“!

Antje Nagula

(Veröffentlicht im Veranstaltungsmagazin „Vitrin“, Ausgabe Juli 2016)