Mutmacher des Monats Mai 2022

„Wenn wir der Liebe den ersten Platz einräumen, füllt sich nicht nur unser Herz, sondern das der Welt.“

Monika Minder (*1961), schweiz. Lyrikerin

Wir sind im Wonnemonat Mai angekommen, der Jahreszeit, in der sich die Welt um uns herum schmückt mit herrlichsten Blüten, Sonne und Düften. Die Zeit, in der sich Bienchen und Blümchen anziehen und finden, in der die Lebenskraft der Natur aus allen Poren der Erde, der Bäume und Sträucher bricht und alles darauf ausgerichtet ist, den Fortbestand des Lebens für eine weitere Generation zu sichern. Viele der mittlerweile immer mehr in Vergessenheit geratenen Bräuche zeugen bis heute vom Fest der Fruchtbarkeit im Mai, dem Monat, der mit der Walpurgisnacht zum 1. Mai beginnt und wo die Legende von der Hochzeit zwischen Vater Sonne und Mutter Erde berichtet. In den Dörfern stellten die jungen Burschen einen Maibaum als ihr Zeichen auf, und krönten ihn mit einem Kranz, den die jungen Frauen des Dorfes als ihr Zeichen gebunden hatten. Beim Bandltanz um diesen Baum „verbandelten“ sie sich dann miteinander, erwählten sich als „Maienkönigin und Maienkönig“ und nicht selten fand kurz darauf im Jahr auch noch eine Hochzeit statt. Zu Zeiten der Kelten trafen sich die Stämme nach dem langen Winter zum 5. Vollmond nach dem Julfest, und feierten gemeinsam „Beltane“: Sie entzündeten Feuer auf den Feldern, sprangen über diese Feuer um ihre eigene Fruchtbarkeit „anzufeuern“ und vereinigten sich dann zwischen den Erdschollen, um damit ihre eigene Kraft auf die Erde zu übertragen und somit eine gute Ernte zu erhalten. Heute werden diese zutiefst sinnlichen Bräuche leider kaum noch gepflegt, wird die Urkraft dieser Symbolik auch kaum noch erkannt. 

Unsere Welt hat statt dessen sterile „Dating-Apps“ erfunden, bei der man dank Photoshop geglätteter Hochglanzbilder schnelle Eroberungen inszenieren kann. Ganze Warenhäuser der Eitelkeiten präsentieren sich da ohne Scheu gleich billigen Ladenhütern, und stellen ihre persönlichen Vorzüge marktschreierisch zur Schau. Zugreifen möge dann aber bitte nur ein exakt passendes Gegenstück von Perfektion, dessen Attribute den präsentierten Vorzügen in seinen Qualitätsmerkmalen mindestens ebenbürtig sei, ja sie am besten noch übertreffen sollte! Ansonsten wird mit einem leichten Schlenker des Daumens auf dem Smartphone ein ganzes Menschenleben, und damit eine eigene, vollkommene, kleine Welt mit einem Herzen voller verborgener Sehnsüchte, Gefühle, Wärme und Hoffnungen – einfach in den Mülleimer gewischt! Ja, wir haben aus der Liebe inzwischen ein eiskaltes Geschäft gemacht, bei dem Menschen an gut bezahlten „Partnerschaftsbörsen“ des Internets als moderne „Waren“ gehandelt und auf Vorschlag von computergesteuerten Algorithmen aneinander verkauft werden. So hat es unsere Welt geschafft, dass wir nicht mehr der Liebe den ersten Platz einräumen – sondern dem, was uns inzwischen am liebsten zu sein scheint: dem Geschäft, der Optimierung, der Technik! Und so kann sich unser Herz auch gar nicht mehr füllen mit jenem magischen, aber zutiefst unberechenbaren Fluidum, das man Liebe nennt! Und das sich gerade in dieser Jahreszeit aber doch immer wieder unaufhaltsam in uns regt – und sei es nur noch als eine vage Ahnung, dass es da an erster Stelle noch etwas geben sollte, das jenseits von Perfektion, Planung, Berechnung und Gewinnmaximierung liegt. 

Doch wenn nicht einmal wir mehr unser Herz füllen können mit „Liebe“ – ja, wie sollte da gar „das Herz der Welt“ sich damit füllen?! Wenn der erste Platz in unserem Herzen dem puren Egoismus gehört, dem Besitz, dem Wertigkeits- und Wettbewerbsdenken, ja, dann braucht es uns doch nicht mehr zu wundern, dass sich „das Herz der Welt“ jetzt füllt mit erbarmungslosem Krieg, Zerstörung, Angst, Unnachgiebigkeit, Vertreibung, Grausamkeit, Hass und Verblendung!

Eines der unverrückbaren, kosmischen Gesetze der Hermetik lautet „Wie im Kleinen – so im Großen!“ Und wenn wir den Zustand unserer Welt und unserer Gesellschaft beklagen, so sollten wir besser zuerst einmal den Zustand in uns selbst betrachten und diesen in ein Feld von Frieden und Freiheit, Harmonie und Fülle führen, so wie wir es uns im Außen der Welt so sehnlichst wünschen. Nehmen wir doch die Urkraft dieser aufbrechenden Jahreszeit in uns auf, und lassen endlich das auch in uns selbst aufbrechen und erblühen, was dort wie ein Samenkorn immer und immer wieder geduldig darauf wartet, dass seine Zeit gekommen ist: Die ewig unbezähmbare Leidenschaft und die eigenwillig und unberechenbar stärkste Kraft des gesamten Universums – Liebe!