Mutmacher des Monats Juni 2022

„Man muss sich durch die kleinen Gedanken, die einen ärgern, immer wieder hindurch finden zu den großen Gedanken, die einen stärken.“

Dieses Zitat stammt von dem deutschen Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906-1945), der zu den mutigsten und wahrhaftigsten Männern zählt, die je in diesem Land geboren wurden. Er war einer von wenigen in Deutschland aktiv am Widerstand gegen den Nationalsozialismus Beteiligten, und erkannte schon früh die drohende Gefahr. Bereits 1933 bei der Machtergreifung der Nazis sprach sich Dietrich Bonhoeffer z.B. öffentlich und klar für eine Machtbegrenzung des „Führers“ sowie gegen die Judenverfolgung aus. Ebenso kritisierte er die Haltung der Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus, die sich überwiegend an die politischen Verhältnisse und Ideologien anpasste und schwieg, anstatt Menschlichkeit und Nächstenliebe aktiv gerade hinsichtlich der Judenverfolgung zu praktizieren. Zu seiner hohen und von Idealen geprägten Gesinnung, die entschieden gegen die Politik Hitlers und die Ziele des Nationalsozialismus gerichtet war, hat sich Dietrich Bonhoeffer stets bekannt. Obwohl man ihm 1939 eine Professur in Amerika angetragen hatte, kehrte er nach Nazi-Deutschland zurück, wo man ihm 1940 Redeverbot erteilte. Bonhoeffer unterrichtete dennoch heimlich weiter und arbeitete gemeinsam mit den späteren Hitler-Attentätern im Untergrund gegen das Regime. Diese Zusammenarbeit wurde ihm zum Verhängnis und er wurde 1943 inhaftiert. Seine Haltung im KZ war bewundernswert – in vielen Briefen an seine Frau und seine Familie ist dies bis heute dokumentiert. Obwohl der Krieg längst verloren war, verurteilte ihn Hitler persönlich noch wenige Wochen vor Kriegsende zum Tode. Zeitzeugen berichteten, dass er in der Morgendämmerung des 9. April 1945 ruhig, gefasst und betend im KZ Flossenbürg seiner Hinrichtung begegnete – als ein wahrhaft großer Mann. Bonhoeffer verfügte über einen eisernen Glauben und für ihn zählte einzig und allein der Maßstab seines eigenen Gewissens. Dieser Glaube mag ihm geholfen haben, über die „kleinen Gedanken, die einen ärgern, immer wieder hindurch zu finden zu den großen Gedanken, die einen stärken.“ 

Auch wir erleben derzeit eine Weltsituation, die uns täglich überflutet mit Informationen, die uns Angst machen. Angst aber hält uns klein – und erzeugt somit in uns auch „kleine Gedanken“, Sorgen um unsere Zukunft, unsere Familie, unsere Lebensverhältnisse. Dazu ein herausfordernder Alltag, wo zu unserem Ärger in einer unsicherer werdenden Welt immer weniger zu funktionieren scheint. Und so erleben wir alle wieder und wieder, wie unser Geist sich in diesen „kleinen Gedanken“ im Kreis dreht, aus dem ein Entkommen schwer möglich ist. Aber genau das ist die Aufgabe, die es täglich zu meistern gilt: Uns zu lösen von diesen „kleinen Gedanken“ und darauf zu vertrauen, dass sich alles zum Besten fügen wird – auch wenn das, was dann geschieht, nicht unbedingt unseren Vorstellungen vom „Besten“ entsprechen mag. Auch Bonhoeffer mag gehofft haben, dass er von einer Hinrichtung verschont bleiben möge. In seiner Situation als Häftling eines Konzentrationslagers der Nazis ist es mit Sicherheit sehr viel schwerer gewesen, zu jenen „großen Gedanken, die einen stärken“ hindurch zu stoßen, als es das für uns in unserem täglichen Leben gerade ist. Es war wohl die Kraft des Gebetes und der Stille, die ihn solche „großen Gedanken“ immer wieder hat finden lassen, wie er sie in seinem berühmten Gedicht, das er wenige Monate vor seinem Tod an seine Familie schrieb, zum Ausdruck brachte. Dort heißt es in den letzten beiden Versen: „Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet / so lass uns hören jenen vollen Klang / der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet / all Deiner Kinder hohen Lobgesang. / Von guten Mächten wunderbar geborgen / erwarten wir getrost, was kommen mag / Gott ist mit uns am Abend und am Morgen / und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“